"Drei Tage in der Goldenen
Stadt"
1. Tag: Anreise, Wenzelsplatz (Vaclavske
Namesti), Kirche Maria Schnee (Chram Panny Marie Snezne),
Gemeinde- oder Repräsentationshaus (Obecni Dum), Pulverturm
(Prasna Brana), Zeltnergasse (Celetna), Altstädter Ring
(Staromestske Namesti), Kirche St. Niklas (Kostel Svateho
Mikulase), Altstädter Rathaus (Staromestska Radnice), Kirche
Maria am Teyn (U Matky Bozi pred Tynem), Pariser Straße
(Parizska), Josefstadt/Jüdisches Viertel (Josefov),
Abendessen
Bald sitzen
wir im Zug, der ist schon ein älteres Modell, das spürt
man, wenn man sich auf dem Sitz niederlässt. Kurz habe ich
Bedenken, dass hier gleich eine Spiralfeder auf mich durchsticht.
Die Farbgebung von Türkis und Rosa bei manchen Details muss
damals einem Designer halt gefallen haben. Für mich als
Malerin ist die Farbzusammenstellung von roter Notbremse und rosa
Hintergrund wirklich "bemerkenswert" und wird deswegen
fotografiert.
Ein Ehepaar kommt voll bepackt in unser Abteil.
Sie meinen, dass wir auf ihren reservierten Plätzen sitzen
und wollen uns das ganz sanft beibringen. Wir sind zwar sicher,
dass wir richtig sitzen, aber zur Vorsicht kramen auch wir unsere
Reservierungszettel heraus. Gleichzeitig findet die Dame aber
auch schon den ihren und kommt drauf, dass sie sich einfach eine
falsche Zahl gemerkt haben. Das ist ihnen jetzt irgendwie
peinlich. Sie raffen wieder alle Gepäckstücke zusammen
und suchen das Weite.
Jetzt wird mal gefrühstückt. Da wir
schon so bald weggefahren sind, haben wir lieber ein wenig
Reiseproviant eingepackt als zu Hause was herzurichten. Eine
Flasche Cola ist Ersatz für den Kaffee. Anfangs fahren wir
durch bekanntes Gebiet. Aber es ist irgendwie belustigend: Ich
kenne die Gegend, aber ich bin mein ganzes Leben lang noch nie
mit dem Zug durch das Mühlviertel gefahren, immer nur mit
dem Auto.
Tschechien empfängt uns mit Schneegestöber.
Es ist alles weiß angezuckert. Die Autos auf dem
Autolieferzug frieren auch ganz offensichtlich. Dazwischen kommt
auch wieder mal
die Sonne raus, aber die Gegend ist trostlos, an der wir
vorbeifahren.
Bei Budweis werden die Zugsinformationen über
Lautsprecher durch ein Ton-Signal angekündigt, es ist aber
nicht irgendein "Dingdong", sondern eine richtige
"kleine Blasmusik". Auch in anderen Bahnhöfen gibt
es sowas, es klingt überall anders, aber in Budweis war es
am hübschesten.
Prag empfängt uns mit Sonnenschein. Wir
wollen uns nun gleich auf dem Bahnhof mehrere
Langstreckenfahrscheine besorgen, aber finden zuerst nur ein paar
geschlossene Verkaufsschalter. Es stehen überall
Fahrkartenautomaten herum. Aber wir können sie nicht
verwenden, weil sie nur Münzen fressen und keine Scheine
(sie geben aber Restgeld heraus, wie wir später noch
feststellen werden), im Besitz von Münzen sind wir aber zu
diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber wir sehen dann einen
Trafik-Kiosk und dort bekommen wir, was wir brauchen. Ins Hotel
geht es nun mit der U-Bahn. Die ist eine total positive
Überraschung, hell, freundlich, modern, schnell,
übersichtlich. Ein Stück haben wir noch zum Hotel zu
gehen, aber es ist nicht problematisch.
Unser
Hotel, das Olympic Tristar, ist ein "wunderschöner"
Hotelkasten. Der Mann an der Rezeption spricht sehr gut Deutsch.
Er ist zunächst sehr förmlich und unnahbar, stellt
unsere Zimmermagnetkarten aus und erklärt uns, wann wir
frühstücken gehen können. "Und das ist dann
auch schon alles!", sagt er und dabei ringt er sich ein
Lächeln ab. Das ist aber auf einmal ganz freundlich, fast
herzlich. Wir fahren mit dem Lift in den 5. Stock. Die Zimmer
machen einen sehr guten Eindruck. Bei genauerer Betrachtung muss
man zwar feststellen, dass sie ein wenig abgewohnt sind, also
Sprünge, Kratzer etc., aber sie sind geräumig, sauber
und hell.
Da die Langstreckenkarte 75 Minuten Gültigkeit
hat und sich das noch gut ausgeht, verlassen wir das Hotel bald
wieder und fahren mit der B-Linie bis zur Haltestelle Mustek. Man
befindet sich dann schon in der Nähe des Wenzelsplatzes und
ist von dort auch schnell in der Altstadt. Manche Rolltreppen in
den U-Bahn-Stationen "fetzen" weg, dass es einem fast
die Füße ausreißt. Darum muss man auch beim
Wegtreten gut aufpassen, dass man nicht zu viel "Drive"
mitnimmt. Beim ersten Mal habe ich mich geschreckt, aber dann hat
es mich nicht mehr gestört, so kommt man wenigstens schnell
weiter.
Als
wir die U-Bahn verlassen, stehen wir auf dem Jungmann-Platz
(Jungmannovo Namesti). Der Herr Jungmann wird gerade renoviert.
In Prag ist es üblich - so wie in anderen Touristenstädten
auch - beim Restaurieren von Gebäuden und Denkmälern
die Planen so zu gestalten, dass man sieht, was hier verdeckt
ist. In Prag muss aber da immer auch noch eine Reklame drauf. Man
kann so eine große Fläche schließlich nicht
ungenützt herumstehen lassen, das wäre
Geschäftsuntüchtigkeit und das ist etwas, was in Prag
sicherlich nicht vorkommt.
Ich habe hier gerade einen kleinen Stadtplan in
der Hand und versuche mich zu orientieren, bevor ich meine Männer
in irgendeine Richtung dirigiere. Dass ich fotografiert werde,
ist eine ziemliche Sensation, denn meist komme ich einen ganzen
Urlaub lang nicht ein einziges Mal ins Bild. Warum man mir dann
aber auch noch oft die Füße abschneidet, weiß
ich nicht. Oben wäre ja noch ein bisserl Platz gewesen. Aber
Hauptsache nicht den Kopf abgeschnitten und überhaupt mal
drauf!
Wir gehen nun zum Wenzelsplatz (Vaclavske
Namesti) und stehen dann an dessen unterem Ende. Der Platz ist
abschüssig und eigentlich eher eine breite, sehr belebte
Einkaufsstraße. Hier gibt es viele schöne
Gebäudefassaden, zum Beispiel das Hotel Europa, ein wirklich
sehenswerter Jugendstil-Bau. Aber ich finde man hätte beim
Renovieren ein bisschen weniger Gelb in den Farbtopf tun sollen.
Am oberen Ende des Platzes befindet sich das
Nationalmuseum und davor das mächtige Reiterstandbild des
Heiligen Wenzel (Svaty Vaclave), des Schutzheiligen Böhmens,
umgeben von vier weiteren Landespatronen. Zeitweise schneit es
ziemlich heftig.
Wir gehen dann links vom Nationalmuseum (Narodni
Muzeum) ein Stück die sehr stark befahrene Straße
entlang in Richtung Bahnhof. Dort befindet sich die Staatsoper.
Wir kehren dann aber wieder um und gehen den Wenzelsplatz
abwärts, wo wir hergekommen sind.
Es gibt hier viele Schmuckgeschäfte, der
Hauptschwerpunkt liegt bei Bernstein- und Granatschmuck. Beides
ist nicht unbedingt
meine Geschmacksrichtung, aber die Auslagen geben ein
wirkungsvolles Foto ab, finde ich.
Es kommt uns eine Bettlerin entgegen. Nicht dass
ich jetzt den Eindruck erwecken will, dass es mich belustigt,
wenn Leute betteln müssen. Auch wenn ich nichts über
die genauen Hintergründe weiß, wenn ich bettelnde
Menschen sehe, tun sie mir immer leid. Aber das Schild, das diese
Frau vor sich her trägt, lässt mich wirklich lachen:
"Help, please, I don't speak English" Und dann etwas
weiter unten: "Change!" Damit nur ja keiner auf die
Idee kommt, die Ausrede zu verwenden, dass er kein Kleingeld hat
.....!
Am Ende des Platzes links gehen wir durch eine
kleine Seitengasse zur Kirche Maria Schnee (Chram Panny Marie
Snezne). Sie liegt in einem kleinen Hof und gehört zum
Franziskanerkloster. Wir gehen in die Kirche hinein. Es sind
auffallend viele Leute drinnen, die einen beten, die anderen
stehen vor einem Beichtstuhl und warten dranzukommen. Ein kleines
Kind durchbricht die Stille mit lebhaftem Geplauder, und ich
wundere mich, dass niemand sagt, dass es still sein soll. Später
komme ich drauf, dass es auf seine Mutter im Beichtstuhl gewartet
hat.
Der Altar ist riesig, gemessen an der Gesamtgröße
der Kirche, und daher sehr beherrschend, fast ein wenig
erdrückend. Dadurch dass zusätzlich zwischen dem Gold
so viel dunkle Farbe ist, entsteht eine ganz eigenartige, sehr
strenge Raumwirkung. Es gefällt mir aber gut. Ich mache ein
Foto, habe aber leider übersehen, vorher das Blitzlicht
wegzuschalten. Das ist mir unangenehm, ich respektiere, dass die
Leute hier andächtig sind und da wollte ich nicht stören.
Wieder draußen muss Michael natürlich
unbedingt den kopflosen Heiligen fotografieren. Hinter uns kommt
ein Franziskanerpater aus der Kirche. Er fragt uns in sehr gutem
Deutsch, wo wir herkommen, und ob wir Interesse haben, die
Bibliothek zu besichtigen. Wir sagen, dass wir nicht viel Zeit
haben. Das war aber ein schlechtes Argument, denn er meint, dass
es nicht besonders lang dauern würde. Wir möchten aber
trotzdem nicht. Er bleibt zwar freundlich, aber es ist ihm
anzumerken, dass es ihm leidtut, er hätte gerne ein wenig
Geld mit uns verdient, was ich auch verstehe.
Wir
gehen dann zurück zum Wenzelsplatz vorbei an Dutzenden
Buden, wo es Souvenirs, Süßes und Saures und
Alkoholisches gibt. Der Hunger ist auf einmal sehr groß.
Wir sind schon an ein paar Würstelständen
vorbeigekommen. Die Würste sehen eigentlich alle recht
appetitlich aus. So landen wir am Würstelstand an der Ecke.
Ich möchte aber doch lieber nur ein bisserl kosten, so eine
riesige große fette Wurst schreckt mich doch ein wenig ab,
und deswegen bestelle ich mir lieber keine eigene Portion.
Michael friert nie, außer hin und wieder an
den Händen, darum ist er ein begeisterter Handschuhträger.
Dass er aber jetzt zum Wurstessen die Handschuhe nicht auszieht,
macht mich leicht fuchtig. Zum Abreagieren habe ich ihn einfach
fotografiert und ihm gesagt, dass ich finde, dass er spinnt.
"Richtig!", sagt er darauf.
Die Wurst schmeckt gar nicht so schlecht, aber
noch viel besser schmeckt mir der Punsch. Den kann man heute
wirklich brauchen. Es ist wie im tiefsten Winter, dabei freue ich
mich schon so auf den Frühling. Auf den vor dem Würstelstand
aufgestellten
Stehtischen sind Kopien eines Zeitungsberichtes aufgeklebt. Da
kann man lesen, was irgendwelche Untersuchungen
über die Qualität der "Klobasy" ergeben
haben. Zumindest schaut es für mich so aus, das Tschechisch
verstehe ich ja nicht. Nur so viel: Wenn man vielleicht gehofft
hätte, Salmonellen zu finden .... leider .... "negativni"!
Die Straße Am Graben (Na Prikope) verbindet
den Wenzelsplatz mit dem Republik-Platz (Namesti Republiky). Hier
ist das Bankenviertel und außerdem reiht sich auch hier
wieder ein Geschäft an das andere.
Auf dem Republik-Platz steht das Gemeinde- oder
Repräsentationshaus (Obecni Dum). Einst befand sich hier der
Prager Königshof, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ein
farbenprächtiger Jugendstil-Bau errichtet. Es haben viele
bedeutende Künstler dieser Zeit daran gearbeitet, unter
anderem Alfons Mucha. Dieser Name begegnet einem in Prag des
öfteren. Das Haus ist prächtig renoviert und strahlt in
vollem Glanz. Über dem Haupteingang prangt das Mosaik
"Huldigung an Prag". Man müsste sich hier viel
Zeit nehmen, um alle Details zu betrachten, das Haus soll auch
innen sehr interessant sein mit seinen Treppen und Sälen,
allen voran dem riesigen Smetana-Saal. Wir verzichten aber auf
eine Innenbesichtigung.
Gleich daneben befindet sich der Pulverturm
(Prasna Brana). Die Grundsteinlegung für diesen
Befestigungsturm, der aber immer eher repräsentativen
Zwecken diente, erfolgte bereits im 15. Jahrhundert. Als aber der
Königshof zum Ende des Jahrhunderts aufgegeben wurde, blieb
das Gebäude mehrere
Jahrhunderte unvollendet. Seine zeitweilige Nutzung als Lager für
Pulver gab ihm den heutigen Namen. Erst im 19. Jahrhundert wurde
der ursprünglich spätgotische Turm im neugotischen Stil
fertig gebaut und umgestaltet. Die Verbindung zwischen dem Turm
und dem Gemeindehaus erfolgte erst im 20. Jahrhundert.
Der Turm ist sozusagen das Tor zur Altstadt
(Stare Mesto). Ich finde es interessant, dass zwischen der
Gestaltung einerseits der Ansicht vom Republik-Platz aus und
andererseits der Ansicht von der Altstadt her überhaupt kein
Unterschied besteht.Die Figuren werden vielleicht
unterschiedliche Personen darstellen, das kann ich jetzt am Foto
nicht mehr feststellen, aber
sonst habe ich keine Unterschiede zwischen "vorne" und
"hinten" gefunden. Das Bauwerk ist aus sehr dunklem
Stein, die kleinen strahlend goldenen Details wie z.B.
Engelflügeln und Schwerter wirken auf diesem Hintergrund wie
Farbspritzer.
Wir gehen nun die Zeltnergasse (Celetna )
entlang, die uns bis zum Altstädter Ring (Staromestske
Namesti) führt. Wir befinden uns hier auf dem einstigen
Krönungsweg böhmischer Könige, der bis zur Burg
auf der anderen Seite der Moldau führt. Es gibt viele
gotische und barocke Häuser. Besonders auffallend ist jedoch
das Haus zur Schwarzen Muttergottes (Dum u Cerne Matky Bozi), ein
Musterbeispiel des Kubismus. Ich empfinde es aber eher als Klotz
und Fremdkörper.
Es ist wirklich saukalt. Schon alleine deswegen
stechen mir die "hübschen" Pelzmützen ins
Auge. Mit einem derartigen Anblick habe ich nicht gerechnet. Man
beachte die aufgenähten "Hammer und Sichel"! Ich
kann nach langem Hin und Her Michael überreden, eine
testweise aufzusetzen, er schaut einfach furchtbar damit aus. Ein
Foto gibt es daher nicht.
Nun
sind wir am Altstädter Ring (Staromestske Namesti)
angelangt. Die Bezeichnung "Ring" ist irreführend,
es ist einfach ein Platz, und er ist wirklich sehr schön,
der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen. Es bieten
sich einige Sehenswürdigkeiten hier, viele interessante
Gebäude aus verschiedenen Epochen.
Gleich an der Mündung der Celetna befindet
sich das Storch-Haus mit seiner schönen Fassadenmalerei,
daneben steht das Haus zum Steinernen Lamm. Das Lamm habe ich
nicht gleich gefunden, es ist nicht sehr auffällig schräg
oberhalb des Renaissance-Portals platziert. Wir gehen dann quer
über den Platz.
Zur
Zeit ist es österlich hier. Es gibt sehr viel Verkaufsstände
und Buden, und es ist auch eine Bühne für irgendeine
Veranstaltung am Abend aufgebaut. Ich weiß aber nicht,
wieviel von dem hier Aufgestellten ganzjährig da ist. Es ist
jedenfalls derzeit rammelvoll, und es bevölkern auch
massenweise Touristen den Platz. Links im Hintergrund sieht man
die Kirche St. Niklas. Wir gehen nun auf das von Ladislav Saloun
geschaffene Jan-Hus-Denkmal zu. Es entstand Anfang des 20.
Jahrhunderts und ist stilistisch daher dem Jugendstil
zuzurechnen.
Schräg rechts dahinter, an der Nordseite des
Platzes befindet sich das heutige Handelsministerium, ein Ende
des 19. Jahrhunderts errichtetes Gebäude, wieder rechts
daneben das frühbarocke Paulanerkloster. An der Ostseite des
Platzes ist das Palais Goltz-Kinsky (Palac Golz-Kinskych), ein
auffälliger Rokoko-Bau, sehr beherrschend. Rechts davon, ein
wenig zurückgesetzt steht ein sehr interessantes Gebäude.
Es ist das Haus zur Steinernen Glocke. Erst in den 60er-Jahren
wurde hier hinter einer barocken Fassade ein gotisches Wohnhaus
freigelegt.
Wir gehen aber in die andere Richtung
weiter und zwar auf die Kirche St. Niklas zu (Kostel Svateho
Mikulase). Im Grenzbereich zwischen Sonne und Schatten auf der
Fassade kommen die Tauben-Netze über den damit
"eingepackten" Heiligen besonders gut zur Geltung. Am
Eingang werden Karten für ein Konzert verkauft, das heute am
Abend stattfinden soll. Die Kirche ist relativ klein. Man kann
nur den Eingangsbereich betreten. Dort gibt es eine kleine
Informationsausstellung über die tschechischen Hussiten. Die
Kirche gehört offenbar zu dieser Konfession. Mittlerweile
habe ich mich über Wikipedia schlau gemacht: Die
tschechischen Hussiten wurden 1920 gegründet, berufen sich
auf die historischen Hussiten, sind aber als Abspaltung von der
Katholischen Kirche eher mit den Anglikanern zu vergleichen.
Interessant ist der Grundriss der Kirche. Für mich schaut
der aus wie ein abgerundetes Quadrat, aber vielleicht täuscht
der Eindruck auch. Die Kuppel darüber ist jedenfalls das
passende Gegenstück dazu. Der Baumeister der Kirche ist
Kilian Ignaz Dientzenhofer.
Wir verlassen die Kirche und gehen auf
das Altstädter Rathaus (Staromestska Radnice) zu. Im 14.
Jahrhundert bekam das Bürgertum die Erlaubnis, hier ein
Rathaus zu errichten. Im Laufe der Geschichte wurde immer wieder
neu dazugebaut und adaptiert. Heute ist es also eigentlich ein
Konglomerat von einzelnen aneinandergereihten Gebäuden. Der
Nordflügel des Rathauses wurde in den letzten Kriegstagen
bombardiert und zerstört. Das Gebäude wurde nicht
wieder aufgebaut.
Man sieht diese Lücke deutlich, der ganze Platz hat dadurch
an Geschlossenheit verloren. Man sieht das auch auf dem Foto.
Rechts neben dem schmalen rosa Gebäudeteil merkt man ganz
genau, dass etwas fehlt.
Die Kirche St. Niklas ist allerdings
durch diesen Umstand mehr ins Blickfeld gerückt. Der
Reiseführer meint, dass sie dafür nicht konzipiert ist,
sondern für eine enge Gasse gebaut wurde, und ihr das
deswegen nicht gut getan hat, das finde ich aber nicht. Ich finde
den
Blick am Rathaus vorbei auf die Kirche sogar besonders hübsch.
Wir gehen nun um die Ecke und stehen
vor dem Turm des Rathauses. Man könnte ihn über viele
Stufen besteigen, das haben wir aber eingespart. Unten am Turm
befindet sich eine besondere Touristenattraktion, die
astronomische Uhr aus dem 15. Jahrhundert. Sie sieht toll aus und
ist auch sehr fotogen. Zu jeder vollen Stunde soll sich hier
zusätzlich ein kleines Schauspiel mit herumlaufenden
Apostelfiguren und dergleichen abspielen. Besonders schön
finde ich das rosa Gebäude ein wenig weiter links vom Turm.
"Praga Caput Regni" steht dort in goldenen Lettern,
eine Inschrift aus dem 16. Jahrhundert. Auch das Minutenhaus, das
sich dann im rechten Winkel anschließt und sich damit ein
wenig in den Platz hineinschiebt, gefällt mir gut.
Auf die volle Stunde fehlt noch ein
Viertel, deswegen lenken wir unsere Schritte am Rathaus vorbei in
Richtung Kleiner Ring (Male Namesti). Wir gehen dort ein wenig in
dem Gewirr der Gässchen spazieren. Es gibt jede Menge
kleiner Geschäfte und das Angebot ist sehr vielseitig. Das
"Vintage"-Foto entsteht deswegen, weil die Eingangstüre
bei jedem Öffnen ganz durchdringend
quietscht, und es gehen viele Leute aus und ein, während wir
die Gasse entlangspazieren. Naja passt ja ohnehin gut dazu!
Wir gehen dann wieder zurück zum
Altstädter Ring, die volle Stunde naht, und wir möchten
das Schauspiel mit der Uhr nicht versäumen. Tatsächlich
versammelt sich hier eine Traube von Menschen. Dann gehen zwei
winzige Türchen auf, es laufen daran ein paar kleine
Apostelchen vorbei, das kleine Skelett wackelt ein bisschen, der
kleine Hahn kräht ganz kurz. Dann ist es vorüber. Also
die Uhr ist wirklich schön, aber das Spektakel ist keines!
Auf unserem Rundgang, es war mehr ein
kreuz-und-quer-Gang, über den Altstädter Ring fehlt
jetzt noch der Besuch der Kirche Maria am Teyn (U Matky Bozi Pred
Tynem). Sie befindet sich hinter dem Gebäude der Teyn-Schule
und ist eine ursprünglich gotische Kirche. Sie wurde in der
zweiten Hälfte des 14.
Jahrhunderts
begonnen, die Errichtung dauerte aber bis ins 16. Jahrhundert
hinein. Die Kirche war ein Zentrum der Hussitenbewegung. Außerdem
ist hier der Astronom Tycho Brahe begraben. Obwohl sie nicht
direkt am Platz liegt, bestimmt sie trotzdem sein Bild sehr
stark. Von außen sieht sie für mich außergewöhnlich
und interessant aus. Vom Innenraum war ich dann enttäuscht.
Ich kann nicht genau sagen warum, ich empfinde es als barockes
Sammelsurium ohne Atmosphäre.
In der Kirche sind viele Leute, da es kalt ist,
haben manche davon irgendwelche Hauben usw. auf. Gerhard und ich
tragen Stirnbänder. Da steht so ein älterer Herr,
offensichtlich ein Aufpasser, in der Kirche. Der will doch glatt,
dass Gerhard seine "Kopfbedeckung" aus Gründen der
Ehrfurcht abnimmt. Gegen die anderen Leute mit Hauben hat er
nichts, aber dieses unauffällige, einfärbige schwarze
Stirnband hat es ihm angetan. Gerhard ist ein geduldiger Mensch,
der sich nicht so leicht von solchen Dingen aufregen lässt.
Er kommt der Aufforderung wortlos nach, aber es hat nicht viel
gefehlt und er hätte dem Herrn einen Vogel gezeigt.
Wir verlassen die Kirche und dann auch den Platz,
und zwar gehen wir rechts an der Kirche St. Niklas vorbei in die
Pariser Straße (Parizska).
Hier wurden Anfang des 20.
Jahrhunderts luxuriöse Jugendstilbauten anstelle der
abgerissenen Häuser des ehemaligen jüdischen Ghettos
erbaut. Die Geschäfte in dieser Straße sind allesamt
teure
Designer-Läden. Viele international bekannte Modemarken sind
hier vertreten, aber auch Geschäfte mit Kristallwaren und
Kaffeehäuser. Wir befinden uns dann direkt im Jüdischen
Viertel, auch Josefstadt (Josefov) genannt.
Das Jüdische Rathaus hat einen
kleinen Uhrturm. Zusätzlich zur normalen Turmuhr gibt es
unterhalb auf der Fassade noch eine zweite Uhr mit hebräischen
Ziffern, die andersherum laufen. Im Gebäude neben dem
Rathaus befindet sich die Hohe Synagoge. Die Maisel-, die
Klausen-, die Pinkas- und die Spanische Synagoge bilden
miteinander das 1906 gegründete Jüdische Museum, eine
der weltweit größten Sammlungen jüdischer Kunst.
Mit der gleichen Eintrittskarte kann man auch die Altneu-Synagoge
und den Jüdischen Friedhof besuchen.
Museumsbesuche haben wir uns für
die drei kurzen Tage grundsätzlich nicht vorgenommen. So
haben wir uns mit einem Rundgang um alle diese Gebäude
zufriedengegeben. Es wird schon langsam Abend, und der Tag war
lang und ermüdend.
Nach einer Ausrastpause im Hotel
machen wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Lokal für
das Abendessen. Wir hätten geglaubt, dass es nicht mehr
notwendig ist, bis in die Innenstadt zu fahren, dass es hier in
der Gegend des Hotels auch irgendwas zu essen gibt. Aber das
gestaltet sich schwieriger als gedacht. Wir laufen schon eine
ganze Weile die Hauptstraße entlang und kommen nur an
Gaststätten vorbei, die wenig einladend sind, und das ist
nett ausgedrückt. Als wir schon aufgeben wollen und doch in
die Altstadt fahren, kommen wir an einem Chinesischen Restaurant
vorbei. Das hält dem Blick durchs Fenster durchaus stand.
Das Essen ist genauso, wie es bei
einem Chinesen bei uns zu Hause gewesen wäre. Es fällt
nur auf, dass wir alle drei ein extra Teller mit gemischtem sehr
"unchinesischem" Salat dazu serviert bekommen. Aber
geschmeckt hat alles gut. Mir fällt außerdem noch eine
große langhaarige Blondine auf, die offensichtlich zum
Personal gehört. In Asiatischen Restaurants würde man
das nicht erwarten, da ist eigentlich sonst immer nur
ausschließlich asiatisches Personal beschäftigt.
Ziemlich müde fallen wir dann nachher in unsere Hotelbetten.
Die
kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken,
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