Helga Buchegger
Reisegeschichten

 

"Drei Tage in der Goldenen Stadt"

 

1. Tag:
Anreise, Wenzelsplatz (Vaclavske Namesti), Kirche Maria Schnee (Chram Panny Marie Snezne), Gemeinde- oder Repräsentationshaus (Obecni Dum), Pulverturm (Prasna Brana), Zeltnergasse (Celetna), Altstädter Ring (Staromestske Namesti), Kirche St. Niklas (Kostel Svateho Mikulase), Altstädter Rathaus (Staromestska Radnice), Kirche Maria am Teyn (U Matky Bozi pred Tynem), Pariser Straße (Parizska), Josefstadt/Jüdisches Viertel (Josefov), Abendessen


Bald sitzen wir im Zug, der ist schon ein älteres Modell, das spürt man, wenn man sich auf dem Sitz niederlässt. Kurz habe ich Bedenken, dass hier gleich eine Spiralfeder auf mich durchsticht. Die Farbgebung von Türkis und Rosa bei manchen Details muss damals einem Designer halt gefallen haben. Für mich als Malerin ist die Farbzusammenstellung von roter Notbremse und rosa Hintergrund wirklich "bemerkenswert" und wird deswegen fotografiert.

Ein Ehepaar kommt voll bepackt in unser Abteil. Sie meinen, dass wir auf ihren reservierten Plätzen sitzen und wollen uns das ganz sanft beibringen. Wir sind zwar sicher, dass wir richtig sitzen, aber zur Vorsicht kramen auch wir unsere Reservierungszettel heraus. Gleichzeitig findet die Dame aber auch schon den ihren und kommt drauf, dass sie sich einfach eine falsche Zahl gemerkt haben. Das ist ihnen jetzt irgendwie peinlich. Sie raffen wieder alle Gepäckstücke zusammen und suchen das Weite.

Jetzt wird mal gefrühstückt. Da wir schon so bald weggefahren sind, haben wir lieber ein wenig Reiseproviant eingepackt als zu Hause was herzurichten. Eine Flasche Cola ist Ersatz für den Kaffee. Anfangs fahren wir durch bekanntes Gebiet. Aber es ist irgendwie belustigend: Ich kenne die Gegend, aber ich bin mein ganzes Leben lang noch nie mit dem Zug durch das Mühlviertel gefahren, immer nur mit dem Auto.

Tschechien empfängt uns mit Schneegestöber. Es ist alles weiß angezuckert. Die Autos auf dem Autolieferzug frieren auch ganz offensichtlich. Dazwischen kommt auch wieder mal die Sonne raus, aber die Gegend ist trostlos, an der wir vorbeifahren.

Bei Budweis werden die Zugsinformationen über Lautsprecher durch ein Ton-Signal angekündigt, es ist aber nicht irgendein "Dingdong", sondern eine richtige "kleine Blasmusik". Auch in anderen Bahnhöfen gibt es sowas, es klingt überall anders, aber in Budweis war es am hübschesten.

Prag empfängt uns mit Sonnenschein. Wir wollen uns nun gleich auf dem Bahnhof mehrere Langstreckenfahrscheine besorgen, aber finden zuerst nur ein paar geschlossene Verkaufsschalter. Es stehen überall Fahrkartenautomaten herum. Aber wir können sie nicht verwenden, weil sie nur Münzen fressen und keine Scheine (sie geben aber Restgeld heraus, wie wir später noch feststellen werden), im Besitz von Münzen sind wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber wir sehen dann einen Trafik-Kiosk und dort bekommen wir, was wir brauchen. Ins Hotel geht es nun mit der U-Bahn. Die ist eine total positive Überraschung, hell, freundlich, modern, schnell, übersichtlich. Ein Stück haben wir noch zum Hotel zu gehen, aber es ist nicht problematisch.

Unser Hotel, das Olympic Tristar, ist ein "wunderschöner" Hotelkasten. Der Mann an der Rezeption spricht sehr gut Deutsch. Er ist zunächst sehr förmlich und unnahbar, stellt unsere Zimmermagnetkarten aus und erklärt uns, wann wir frühstücken gehen können. "Und das ist dann auch schon alles!", sagt er und dabei ringt er sich ein Lächeln ab. Das ist aber auf einmal ganz freundlich, fast herzlich. Wir fahren mit dem Lift in den 5. Stock. Die Zimmer machen einen sehr guten Eindruck. Bei genauerer Betrachtung muss man zwar feststellen, dass sie ein wenig abgewohnt sind, also Sprünge, Kratzer etc., aber sie sind geräumig, sauber und hell.

Da die Langstreckenkarte 75 Minuten Gültigkeit hat und sich das noch gut ausgeht, verlassen wir das Hotel bald wieder und fahren mit der B-Linie bis zur Haltestelle Mustek. Man befindet sich dann schon in der Nähe des Wenzelsplatzes und ist von dort auch schnell in der Altstadt. Manche Rolltreppen in den U-Bahn-Stationen "fetzen" weg, dass es einem fast die Füße ausreißt. Darum muss man auch beim Wegtreten gut aufpassen, dass man nicht zu viel "Drive" mitnimmt. Beim ersten Mal habe ich mich geschreckt, aber dann hat es mich nicht mehr gestört, so kommt man wenigstens schnell weiter.

Als wir die U-Bahn verlassen, stehen wir auf dem Jungmann-Platz (Jungmannovo Namesti). Der Herr Jungmann wird gerade renoviert. In Prag ist es üblich - so wie in anderen Touristenstädten auch - beim Restaurieren von Gebäuden und Denkmälern die Planen so zu gestalten, dass man sieht, was hier verdeckt ist. In Prag muss aber da immer auch noch eine Reklame drauf. Man kann so eine große Fläche schließlich nicht ungenützt herumstehen lassen, das wäre Geschäftsuntüchtigkeit und das ist etwas, was in Prag sicherlich nicht vorkommt.

Ich habe hier gerade einen kleinen Stadtplan in der Hand und versuche mich zu orientieren, bevor ich meine Männer in irgendeine Richtung dirigiere. Dass ich fotografiert werde, ist eine ziemliche Sensation, denn meist komme ich einen ganzen Urlaub lang nicht ein einziges Mal ins Bild. Warum man mir dann aber auch noch oft die Füße abschneidet, weiß ich nicht. Oben wäre ja noch ein bisserl Platz gewesen. Aber Hauptsache nicht den Kopf abgeschnitten und überhaupt mal drauf!

Wir gehen nun zum Wenzelsplatz (Vaclavske Namesti) und stehen dann an dessen unterem Ende. Der Platz ist abschüssig und eigentlich eher eine breite, sehr belebte Einkaufsstraße. Hier gibt es viele schöne Gebäudefassaden, zum Beispiel das Hotel Europa, ein wirklich sehenswerter Jugendstil-Bau. Aber ich finde man hätte beim Renovieren ein bisschen weniger Gelb in den Farbtopf tun sollen.

Am oberen Ende des Platzes befindet sich das Nationalmuseum und davor das mächtige Reiterstandbild des Heiligen Wenzel (Svaty Vaclave), des Schutzheiligen Böhmens, umgeben von vier weiteren Landespatronen. Zeitweise schneit es ziemlich heftig.

Wir gehen dann links vom Nationalmuseum (Narodni Muzeum) ein Stück die sehr stark befahrene Straße entlang in Richtung Bahnhof. Dort befindet sich die Staatsoper. Wir kehren dann aber wieder um und gehen den Wenzelsplatz abwärts, wo wir hergekommen sind.

Es gibt hier viele Schmuckgeschäfte, der Hauptschwerpunkt liegt bei Bernstein- und Granatschmuck. Beides ist nicht unbedingt meine Geschmacksrichtung, aber die Auslagen geben ein wirkungsvolles Foto ab, finde ich.

Es kommt uns eine Bettlerin entgegen. Nicht dass ich jetzt den Eindruck erwecken will, dass es mich belustigt, wenn Leute betteln müssen. Auch wenn ich nichts über die genauen Hintergründe weiß, wenn ich bettelnde Menschen sehe, tun sie mir immer leid. Aber das Schild, das diese Frau vor sich her trägt, lässt mich wirklich lachen: "Help, please, I don't speak English" Und dann etwas weiter unten: "Change!" Damit nur ja keiner auf die Idee kommt, die Ausrede zu verwenden, dass er kein Kleingeld hat .....!

Am Ende des Platzes links gehen wir durch eine kleine Seitengasse zur Kirche Maria Schnee (Chram Panny Marie Snezne). Sie liegt in einem kleinen Hof und gehört zum Franziskanerkloster. Wir gehen in die Kirche hinein. Es sind auffallend viele Leute drinnen, die einen beten, die anderen stehen vor einem Beichtstuhl und warten dranzukommen. Ein kleines Kind durchbricht die Stille mit lebhaftem Geplauder, und ich wundere mich, dass niemand sagt, dass es still sein soll. Später komme ich drauf, dass es auf seine Mutter im Beichtstuhl gewartet hat.

Der Altar ist riesig, gemessen an der Gesamtgröße der Kirche, und daher sehr beherrschend, fast ein wenig erdrückend. Dadurch dass zusätzlich zwischen dem Gold so viel dunkle Farbe ist, entsteht eine ganz eigenartige, sehr strenge Raumwirkung. Es gefällt mir aber gut. Ich mache ein Foto, habe aber leider übersehen, vorher das Blitzlicht wegzuschalten. Das ist mir unangenehm, ich respektiere, dass die Leute hier andächtig sind und da wollte ich nicht stören.

Wieder draußen muss Michael natürlich unbedingt den kopflosen Heiligen fotografieren. Hinter uns kommt ein Franziskanerpater aus der Kirche. Er fragt uns in sehr gutem Deutsch, wo wir herkommen, und ob wir Interesse haben, die Bibliothek zu besichtigen. Wir sagen, dass wir nicht viel Zeit haben. Das war aber ein schlechtes Argument, denn er meint, dass es nicht besonders lang dauern würde. Wir möchten aber trotzdem nicht. Er bleibt zwar freundlich, aber es ist ihm anzumerken, dass es ihm leidtut, er hätte gerne ein wenig Geld mit uns verdient, was ich auch verstehe.

Wir gehen dann zurück zum Wenzelsplatz vorbei an Dutzenden Buden, wo es Souvenirs, Süßes und Saures und Alkoholisches gibt. Der Hunger ist auf einmal sehr groß. Wir sind schon an ein paar Würstelständen vorbeigekommen. Die Würste sehen eigentlich alle recht appetitlich aus. So landen wir am Würstelstand an der Ecke. Ich möchte aber doch lieber nur ein bisserl kosten, so eine riesige große fette Wurst schreckt mich doch ein wenig ab, und deswegen bestelle ich mir lieber keine eigene Portion.

Michael friert nie, außer hin und wieder an den Händen, darum ist er ein begeisterter Handschuhträger. Dass er aber jetzt zum Wurstessen die Handschuhe nicht auszieht, macht mich leicht fuchtig. Zum Abreagieren habe ich ihn einfach fotografiert und ihm gesagt, dass ich finde, dass er spinnt. "Richtig!", sagt er darauf.

Die Wurst schmeckt gar nicht so schlecht, aber noch viel besser schmeckt mir der Punsch. Den kann man heute wirklich brauchen. Es ist wie im tiefsten Winter, dabei freue ich mich schon so auf den Frühling. Auf den vor dem Würstelstand aufgestellten Stehtischen sind Kopien eines Zeitungsberichtes aufgeklebt. Da kann man lesen, was irgendwelche Untersuchungen über die Qualität der "Klobasy" ergeben haben. Zumindest schaut es für mich so aus, das Tschechisch verstehe ich ja nicht. Nur so viel: Wenn man vielleicht gehofft hätte, Salmonellen zu finden .... leider .... "negativni"!

Die Straße Am Graben (Na Prikope) verbindet den Wenzelsplatz mit dem Republik-Platz (Namesti Republiky). Hier ist das Bankenviertel und außerdem reiht sich auch hier wieder ein Geschäft an das andere.

Auf dem Republik-Platz steht das Gemeinde- oder Repräsentationshaus (Obecni Dum). Einst befand sich hier der Prager Königshof, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ein farbenprächtiger Jugendstil-Bau errichtet. Es haben viele bedeutende Künstler dieser Zeit daran gearbeitet, unter anderem Alfons Mucha. Dieser Name begegnet einem in Prag des öfteren. Das Haus ist prächtig renoviert und strahlt in vollem Glanz. Über dem Haupteingang prangt das Mosaik "Huldigung an Prag". Man müsste sich hier viel Zeit nehmen, um alle Details zu betrachten, das Haus soll auch innen sehr interessant sein mit seinen Treppen und Sälen, allen voran dem riesigen Smetana-Saal. Wir verzichten aber auf eine Innenbesichtigung.

Gleich daneben befindet sich der Pulverturm (Prasna Brana). Die Grundsteinlegung für diesen Befestigungsturm, der aber immer eher repräsentativen Zwecken diente, erfolgte bereits im 15. Jahrhundert. Als aber der Königshof zum Ende des Jahrhunderts aufgegeben wurde, blieb das Gebäude mehrere Jahrhunderte unvollendet. Seine zeitweilige Nutzung als Lager für Pulver gab ihm den heutigen Namen. Erst im 19. Jahrhundert wurde der ursprünglich spätgotische Turm im neugotischen Stil fertig gebaut und umgestaltet. Die Verbindung zwischen dem Turm und dem Gemeindehaus erfolgte erst im 20. Jahrhundert.

Der Turm ist sozusagen das Tor zur Altstadt (Stare Mesto). Ich finde es interessant, dass zwischen der Gestaltung einerseits der Ansicht vom Republik-Platz aus und andererseits der Ansicht von der Altstadt her überhaupt kein Unterschied besteht.Die Figuren werden vielleicht unterschiedliche Personen darstellen, das kann ich jetzt am Foto nicht mehr feststellen, aber sonst habe ich keine Unterschiede zwischen "vorne" und "hinten" gefunden. Das Bauwerk ist aus sehr dunklem Stein, die kleinen strahlend goldenen Details wie z.B. Engelflügeln und Schwerter wirken auf diesem Hintergrund wie Farbspritzer.

Wir gehen nun die Zeltnergasse (Celetna ) entlang, die uns bis zum Altstädter Ring (Staromestske Namesti) führt. Wir befinden uns hier auf dem einstigen Krönungsweg böhmischer Könige, der bis zur Burg auf der anderen Seite der Moldau führt. Es gibt viele gotische und barocke Häuser. Besonders auffallend ist jedoch das Haus zur Schwarzen Muttergottes (Dum u Cerne Matky Bozi), ein Musterbeispiel des Kubismus. Ich empfinde es aber eher als Klotz und Fremdkörper.

Es ist wirklich saukalt. Schon alleine deswegen stechen mir die "hübschen" Pelzmützen ins Auge. Mit einem derartigen Anblick habe ich nicht gerechnet. Man beachte die aufgenähten "Hammer und Sichel"! Ich kann nach langem Hin und Her Michael überreden, eine testweise aufzusetzen, er schaut einfach furchtbar damit aus. Ein Foto gibt es daher nicht.

Nun sind wir am Altstädter Ring (Staromestske Namesti) angelangt. Die Bezeichnung "Ring" ist irreführend, es ist einfach ein Platz, und er ist wirklich sehr schön, der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen. Es bieten sich einige Sehenswürdigkeiten hier, viele interessante Gebäude aus verschiedenen Epochen.

Gleich an der Mündung der Celetna befindet sich das Storch-Haus mit seiner schönen Fassadenmalerei, daneben steht das Haus zum Steinernen Lamm. Das Lamm habe ich nicht gleich gefunden, es ist nicht sehr auffällig schräg oberhalb des Renaissance-Portals platziert. Wir gehen dann quer über den Platz.

Zur Zeit ist es österlich hier. Es gibt sehr viel Verkaufsstände und Buden, und es ist auch eine Bühne für irgendeine Veranstaltung am Abend aufgebaut. Ich weiß aber nicht, wieviel von dem hier Aufgestellten ganzjährig da ist. Es ist jedenfalls derzeit rammelvoll, und es bevölkern auch massenweise Touristen den Platz. Links im Hintergrund sieht man die Kirche St. Niklas. Wir gehen nun auf das von Ladislav Saloun geschaffene Jan-Hus-Denkmal zu. Es entstand Anfang des 20. Jahrhunderts und ist stilistisch daher dem Jugendstil zuzurechnen.

Schräg rechts dahinter, an der Nordseite des Platzes befindet sich das heutige Handelsministerium, ein Ende des 19. Jahrhunderts errichtetes Gebäude, wieder rechts daneben das frühbarocke Paulanerkloster. An der Ostseite des Platzes ist das Palais Goltz-Kinsky (Palac Golz-Kinskych), ein auffälliger Rokoko-Bau, sehr beherrschend. Rechts davon, ein wenig zurückgesetzt steht ein sehr interessantes Gebäude. Es ist das Haus zur Steinernen Glocke. Erst in den 60er-Jahren wurde hier hinter einer barocken Fassade ein gotisches Wohnhaus freigelegt.

Wir gehen aber in die andere Richtung weiter und zwar auf die Kirche St. Niklas zu (Kostel Svateho Mikulase). Im Grenzbereich zwischen Sonne und Schatten auf der Fassade kommen die Tauben-Netze über den damit "eingepackten" Heiligen besonders gut zur Geltung. Am Eingang werden Karten für ein Konzert verkauft, das heute am Abend stattfinden soll. Die Kirche ist relativ klein. Man kann nur den Eingangsbereich betreten. Dort gibt es eine kleine Informationsausstellung über die tschechischen Hussiten. Die Kirche gehört offenbar zu dieser Konfession. Mittlerweile habe ich mich über Wikipedia schlau gemacht: Die tschechischen Hussiten wurden 1920 gegründet, berufen sich auf die historischen Hussiten, sind aber als Abspaltung von der Katholischen Kirche eher mit den Anglikanern zu vergleichen. Interessant ist der Grundriss der Kirche. Für mich schaut der aus wie ein abgerundetes Quadrat, aber vielleicht täuscht der Eindruck auch. Die Kuppel darüber ist jedenfalls das passende Gegenstück dazu. Der Baumeister der Kirche ist Kilian Ignaz Dientzenhofer.

Wir verlassen die Kirche und gehen auf das Altstädter Rathaus (Staromestska Radnice) zu. Im 14. Jahrhundert bekam das Bürgertum die Erlaubnis, hier ein Rathaus zu errichten. Im Laufe der Geschichte wurde immer wieder neu dazugebaut und adaptiert. Heute ist es also eigentlich ein Konglomerat von einzelnen aneinandergereihten Gebäuden. Der Nordflügel des Rathauses wurde in den letzten Kriegstagen bombardiert und zerstört. Das Gebäude wurde nicht wieder aufgebaut. Man sieht diese Lücke deutlich, der ganze Platz hat dadurch an Geschlossenheit verloren. Man sieht das auch auf dem Foto. Rechts neben dem schmalen rosa Gebäudeteil merkt man ganz genau, dass etwas fehlt.

Die Kirche St. Niklas ist allerdings durch diesen Umstand mehr ins Blickfeld gerückt. Der Reiseführer meint, dass sie dafür nicht konzipiert ist, sondern für eine enge Gasse gebaut wurde, und ihr das deswegen nicht gut getan hat, das finde ich aber nicht. Ich finde den Blick am Rathaus vorbei auf die Kirche sogar besonders hübsch.

Wir gehen nun um die Ecke und stehen vor dem Turm des Rathauses. Man könnte ihn über viele Stufen besteigen, das haben wir aber eingespart. Unten am Turm befindet sich eine besondere Touristenattraktion, die astronomische Uhr aus dem 15. Jahrhundert. Sie sieht toll aus und ist auch sehr fotogen. Zu jeder vollen Stunde soll sich hier zusätzlich ein kleines Schauspiel mit herumlaufenden Apostelfiguren und dergleichen abspielen. Besonders schön finde ich das rosa Gebäude ein wenig weiter links vom Turm. "Praga Caput Regni" steht dort in goldenen Lettern, eine Inschrift aus dem 16. Jahrhundert. Auch das Minutenhaus, das sich dann im rechten Winkel anschließt und sich damit ein wenig in den Platz hineinschiebt, gefällt mir gut.

Auf die volle Stunde fehlt noch ein Viertel, deswegen lenken wir unsere Schritte am Rathaus vorbei in Richtung Kleiner Ring (Male Namesti). Wir gehen dort ein wenig in dem Gewirr der Gässchen spazieren. Es gibt jede Menge kleiner Geschäfte und das Angebot ist sehr vielseitig. Das "Vintage"-Foto entsteht deswegen, weil die Eingangstüre bei jedem Öffnen ganz durchdringend quietscht, und es gehen viele Leute aus und ein, während wir die Gasse entlangspazieren. Naja passt ja ohnehin gut dazu!

Wir gehen dann wieder zurück zum Altstädter Ring, die volle Stunde naht, und wir möchten das Schauspiel mit der Uhr nicht versäumen. Tatsächlich versammelt sich hier eine Traube von Menschen. Dann gehen zwei winzige Türchen auf, es laufen daran ein paar kleine Apostelchen vorbei, das kleine Skelett wackelt ein bisschen, der kleine Hahn kräht ganz kurz. Dann ist es vorüber. Also die Uhr ist wirklich schön, aber das Spektakel ist keines!

Auf unserem Rundgang, es war mehr ein kreuz-und-quer-Gang, über den Altstädter Ring fehlt jetzt noch der Besuch der Kirche Maria am Teyn (U Matky Bozi Pred Tynem). Sie befindet sich hinter dem Gebäude der Teyn-Schule und ist eine ursprünglich gotische Kirche. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts begonnen, die Errichtung dauerte aber bis ins 16. Jahrhundert hinein. Die Kirche war ein Zentrum der Hussitenbewegung. Außerdem ist hier der Astronom Tycho Brahe begraben. Obwohl sie nicht direkt am Platz liegt, bestimmt sie trotzdem sein Bild sehr stark. Von außen sieht sie für mich außergewöhnlich und interessant aus. Vom Innenraum war ich dann enttäuscht. Ich kann nicht genau sagen warum, ich empfinde es als barockes Sammelsurium ohne Atmosphäre.

In der Kirche sind viele Leute, da es kalt ist, haben manche davon irgendwelche Hauben usw. auf. Gerhard und ich tragen Stirnbänder. Da steht so ein älterer Herr, offensichtlich ein Aufpasser, in der Kirche. Der will doch glatt, dass Gerhard seine "Kopfbedeckung" aus Gründen der Ehrfurcht abnimmt. Gegen die anderen Leute mit Hauben hat er nichts, aber dieses unauffällige, einfärbige schwarze Stirnband hat es ihm angetan. Gerhard ist ein geduldiger Mensch, der sich nicht so leicht von solchen Dingen aufregen lässt. Er kommt der Aufforderung wortlos nach, aber es hat nicht viel gefehlt und er hätte dem Herrn einen Vogel gezeigt.

Wir verlassen die Kirche und dann auch den Platz, und zwar gehen wir rechts an der Kirche St. Niklas vorbei in die Pariser Straße (Parizska).

Hier wurden Anfang des 20. Jahrhunderts luxuriöse Jugendstilbauten anstelle der abgerissenen Häuser des ehemaligen jüdischen Ghettos erbaut. Die Geschäfte in dieser Straße sind allesamt teure Designer-Läden. Viele international bekannte Modemarken sind hier vertreten, aber auch Geschäfte mit Kristallwaren und Kaffeehäuser. Wir befinden uns dann direkt im Jüdischen Viertel, auch Josefstadt (Josefov) genannt.

Das Jüdische Rathaus hat einen kleinen Uhrturm. Zusätzlich zur normalen Turmuhr gibt es unterhalb auf der Fassade noch eine zweite Uhr mit hebräischen Ziffern, die andersherum laufen. Im Gebäude neben dem Rathaus befindet sich die Hohe Synagoge. Die Maisel-, die Klausen-, die Pinkas- und die Spanische Synagoge bilden miteinander das 1906 gegründete Jüdische Museum, eine der weltweit größten Sammlungen jüdischer Kunst. Mit der gleichen Eintrittskarte kann man auch die Altneu-Synagoge und den Jüdischen Friedhof besuchen.

Museumsbesuche haben wir uns für die drei kurzen Tage grundsätzlich nicht vorgenommen. So haben wir uns mit einem Rundgang um alle diese Gebäude zufriedengegeben. Es wird schon langsam Abend, und der Tag war lang und ermüdend.

Nach einer Ausrastpause im Hotel machen wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Lokal für das Abendessen. Wir hätten geglaubt, dass es nicht mehr notwendig ist, bis in die Innenstadt zu fahren, dass es hier in der Gegend des Hotels auch irgendwas zu essen gibt. Aber das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Wir laufen schon eine ganze Weile die Hauptstraße entlang und kommen nur an Gaststätten vorbei, die wenig einladend sind, und das ist nett ausgedrückt. Als wir schon aufgeben wollen und doch in die Altstadt fahren, kommen wir an einem Chinesischen Restaurant vorbei. Das hält dem Blick durchs Fenster durchaus stand.

Das Essen ist genauso, wie es bei einem Chinesen bei uns zu Hause gewesen wäre. Es fällt nur auf, dass wir alle drei ein extra Teller mit gemischtem sehr "unchinesischem" Salat dazu serviert bekommen. Aber geschmeckt hat alles gut. Mir fällt außerdem noch eine große langhaarige Blondine auf, die offensichtlich zum Personal gehört. In Asiatischen Restaurants würde man das nicht erwarten, da ist eigentlich sonst immer nur ausschließlich asiatisches Personal beschäftigt. Ziemlich müde fallen wir dann nachher in unsere Hotelbetten.

 

Die kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken, um ein größeres Foto betrachten zu können.

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