"Rom für Anfänger"
4. Tag: San Paolo fuori le Mura, San
Clemente, San Giovanni in Laterano, Mittagessen, Colosseo, Arco
di Costantino, Foro Romano, Campidoglio, Abendessen in
Trastevere, San Pietro bei Nacht
Heute ist unser erstes Ziel San Paolo Fuori le
Mura (St. Paul vor den Mauern). Wir fahren mit der Metro B bis
zur Station Basilica San Paolo. Es ist geringfügig später
als gestern bei der Fahrt zum Vatikan, und auf dieser Linie ist
anscheinend auch sonst nicht so extrem viel los. Das
Erscheinungsbild der U-Bahn ist leicht erschreckend, uralt,
dreckig und über und über mit Grafitti bedeckt. Eine
junge Frau singt lauthals "Besame Mucho", ein älterer
Herr fiedelt dazu. Dann wird abgesammelt, aber es gibt kaum einer
etwas her. Wenig später bettelt eine Mutter mit einem
kleinen Mäderl, ich nehme an, sie ist ungefähr fünf
Jahre alt. Sie scheint an die Situation gewöhnt zu sein. Sie
spaziert ganz locker und standfest in dem hin und her rüttelnden
Waggon mit ihrem kleinen Töpfchen herum und geht auf alle
Leute zu, es kümmert sie überhaupt nicht, dass niemand
etwas hineinwirft. Zwei Stationen später steigen beide
wieder aus.
Als wir von der U-Bahn zur Kirche gehen, regnet
es ein wenig. Straßenhändler mit Schirmen sind schon
wieder bereit, den Touristen diese Situation erträglicher zu
machen. San Paolo Fuori le Mura ist eine der vier
Patriarchalsbasiliken. Neben dem Petersdom gehören auch noch
San Giovanni in Laterano und Santa Maria Maggiore dazu, wir
werden auch diese beiden noch kennenlernen. Diese Kirchen gehören
auch territorial gesehen zum Vatikan.
Hier gab es schon im 4. Jahrhundert nach Christus
eine Kirche, die über dem Grab des an dieser Stelle
enthaupteten Apostels Paulus errichtet, aber sehr bald durch eine
große Basilika ersetzt wurde. Diese war bis zum Bau von San
Pietro die größte Kirche der Christenheit. Anfang des
19. Jahrhunderts ist sie leider
fast zur Gänze abgebrannt. Sie wurde mit den alten
Proportionen wieder errichtet, und auch der Raumeindruck soll
wieder so wie vorher hergestellt worden sein. Erhalten blieben
die Mosaiken am Triumphbogen (aus dem 5. Jahrhundert), das
Ziborium über dem Hochaltar und die Mosaiken um die Apsis
(aus dem 13. Jahrhundert).
Diese Mosaiken sind wunderschön, ich bin
aber von der ganzen Kirche total begeistert. Ich finde sie
großartig, obwohl sie noch so jung und so "nachgemacht"
ist. Ich empfinde diesen Platz hier als einen der schönsten
auf unserer Rom-Reise. Viel zur großartigen Wirkung trägt
dazu bei, dass im Hauptschiff überhaupt kein Chorgestühl
vorhanden ist und dass auch Gott sei Dank keiner auf die Idee
gekommen ist, hier Plastiksesseln in Massen aufzustellen (wie zum
Beispiel im Lateran). Der leere Raum wirkt grandios, es kommt
damit die schöne Apsis, der Triumphbogen, der spiegelnde
Boden
und die Säulenreihen wunderbar zur Geltung.
Ein
interessantes Detail sind die Bilder von allen Päpsten der
Geschichte, beginnend mit Petrus, die in Form von "Medaillons"
aneinandergereiht oberhalb der Säulenbögen angeordnet
sind. Auch Benedikt XVI ist bereits zu sehen. Der Legende nach
ist die Wiederkunft Christi zu erwarten, wenn kein Platz mehr für
ein weiteres Bild ist. Es wird aber immer wieder Raum dafür
gefunden. Wir zählen noch etliche Leerstellen, keine Chance,
das werden wir unmöglich erleben!
Neben der Kirche gibt es auch noch einen
Kreuzgang zu besichtigen, es hätte auch noch einen zweiten
sehenswerten Hof gegeben, den haben wir übersehen, ich bin
erst zu Hause draufgekommen, als mir Gerhards Tochter Silvia ihre
Rom-Fotos gezeigt hat. Wieder ein Grund, Rom wiederzusehen!
Wir fahren mit der U-Bahn wieder zurück in
Richtung Colosseo. Nicht weit entfernt befindet sich die Kirche
San Clemente, die deswegen interessant ist, weil man hier drei
Ebenen übereinander besichtigen kann. Die unterste birgt die
Überreste eines Wohnhauses aus der Antike mit einem
Mithräum, darüber ist die erste Kirche vom Ende des 4.
Jahrhunderts, darüber der jetzige Bau. Für die
Unterkirchen muss man Eintritt bezahlen. Das Mithräum kann
man aber trotzdem nur durch ein Gitter sehen, man sieht also
nicht recht viel, aber der Eindruck ist durchaus mystisch.
Die Kirche darüber ist eine dreischiffige
Basilika mit Fresken aus verschiedenen Epochen, es wird hier
anscheinend auch laufend etwas neu freigelegt. Hier ist der
Heilige Kyrill begraben.
Man könnte fast vergessen, dass die
Oberkirche alleine für sich schon interessant ist. Ziemlich
in der Mitte befindet sich ein mit Marmorschranken abgegrenzter
Bereich. Besonders schön ist auch hier wieder die mit
goldenen Mosaiken verzierte Apsis. Der Bau stammt aus dem 12.
Jahrhundert und wurde anstelle des Vorgängerbaus, der durch
die Normannen Anfang des 11. Jahrhunderts zerstört worden
war, errichtet.
Wir suchen uns dann eine Bushaltestelle, um die
nächste Patriarchalsbasilika, San Giovanni in Laterano, zu
besuchen. Sie ist die Kirche des Papstes als Bischof von Rom, und
bis zum Exil der Päpste in Avignon war sie auch Sitz des
Pontifikats. Später hatte der Lateran auch noch gewisse
Bedeutung für die Katholische Kirche, es fanden zum Beispiel
hier insgesamt fünf Konzile statt. Die Kirche in der
heutigen Form stammt aus dem 17. Jahrhundert. Sie wurde
allerdings im Jahr 1993 durch einen Bombenanschlag schwer
beschädigt und daraufhin restauriert.
Zum Gebäudekomplex gehört auch der
Lateranpalast, die Scala Santa, über die Jesus zu Pilatus
geführt worden sein soll und die dann später aus
Jerusalem hierher gebracht worden ist, außerdem ein
Kreuzgang und ein Baptisterium. Auf dem Platz steht wieder einmal
ein zum Teil eingerüsteter Obelisk. Die Außenansicht
der Kirche ist anders als das, was wir bisher gesehen haben, eher
einfach und schmucklos.
Wir schauen uns zunächst einmal die Kirche
an. Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht schon einfach
"kirchenmüde" sind, aber jedenfalls kommt keine so
richtige Begeisterung auf. Die grauen Plastiksessel zerstören
die Atmosphäre, finde ich. Aber vielleicht stehen sie
ohnehin nicht immer so drinnen. Wir studieren die Aufschriften
auf den Beichstühlen, man kann hier lesen, in welcher
Sprache man dem Priester seine Sünden erzählen kann. Da
sind ein paar "Mehrsprachenwunder" am Werke. Ich
gestehe: "Tagalog" habe ich vorher nicht gekannt. Nun
ist der Hunger nach einem vernünftigen Mittagessen aber bei
allen dreien größer als nach weiterem Kunstgenuss. Die
Scala Santa und das Baptisterium lassen wir daher einfach links
liegen.
Wir
gehen nun zurück in Richtung Colosseo. Auf dem Weg dorthin
finden wir ein kleines Lokal, "bar teatro café"
und ergattern dort einen Tisch. Es scheint eine beliebte
Einrichtung für die in der Gegend arbeitenden, eher
businessmäßig gekleideten Italiener zu sein. Gerhard
und Michael bestellen sich jeweils eine Pizza, eine Cappriciosa
und eine Salame. Nicht dass Schönheit das wichtigste
Kriterium für eine Pizza ist, aber Gerhards ist wirklich
auch ein Augenschmaus. Ich esse ein Risotto al Mare. Es schmeckt
ganz anders als das, was Gerhard immer für uns kocht (meine
Lieblingsspeise), aber es ist auch sehr gut. Nachher gibt es
natürlich unbedingt noch einen Caffé. Als Gerhard
zwei bestellt, fragt der Kellner "Italiani?". Er ist
sich offensichtlich nicht sicher, ob diese "turisti"
mit dem zufrieden sind, was man einem Italiener bringt, wenn er
"caffé" bestellt.
Es regnet zeitweise, heute sind wir die meiste
Zeit im Freien unterwegs, und es ist der einzige richtig
regnerische Tag, aber das kann man halt doch vorher nicht so
genau wissen, leider. Nun kommt also das Kolosseum an die Reihe,
sicherlich einer der Höhepunkte einer Rom-Reise. Am Eingang
herrscht ein wenig Gedränge, aber eine Warteschlange kann
man es nicht nennen. Es dauert nicht lange und wir sind drinnen.
Dieses Bauwerk ist schon von außen
beeindruckend, aber man muss es unbedingt auch von innen gesehen
haben. Die blutrünstigen Geschichten, die man natürlich
zwangsläufig damit in Verbindung bringen muss, versuche ich
möglichst außerhalb meiner Vorstellung zu belassen.
Ich würde hier auf keinen Fall bei einer Führung
mitgehen, ich muss das alles gar nicht so genau wissen. Aber als
Bauwerk ist es schlicht und einfach kolossal.
Gleich neben dem Kolosseum befindet sich der
Konstantinsbogen, der größte und besterhaltene
Triumphbogen aus der Antike. Von dort aus lenken wir unsere
Schritte über die Via Sacra, dann durch den Titusbogen zum
Forum Romanum.
Von
oben haben wir es ja schon betrachtet. Das war, als ich von dem
sensationellen Ausblick von den Kapitolinischen Museen aus so
beeindruckt war. Wir kommen nun genau von der gegenüberliegenden
Seiteund gehen in Richtung Kapitol. Nach links könnte man
nun hinauf auf den Palatin gehen, dort wo der Sage nach Romulus
und Remus aufgewachsen sind, aber man kann in fünf Tagen Rom
nicht alles sehen. Die Zeit reicht eben nicht. Also gehen wir
weiter.
Ich
gestehe, dass ich mir jetzt überhaupt keine Gedanken mache,
was ich hier genau sehe, welche Säule zu welchem Tempel
gehörte und wie alt sie ist (ich habe teilweise erst beim
Erstellen dieses Reiseberichtes Nachforschungen darüber
angestellt). Ich habe es vorher im Reiseführer überflogen,
aber mir nicht gemerkt. Wichtig ist für mich die
Vorstellung, dass hier der Mittelpunkt des antiken Rom lag, dass
hier auf den Märkten gehandelt wurde, dass
Gerichtsverhandlungen abgehalten und Politik getrieben wurde,
dass es hier Tempel für Götter und Kaiser gab, dass
also hier das Zentrum des religiösen, politischen und
wirtschaftlichen Lebens war. Es muss hier von Leuten gewimmelt
haben damals, und so ist es auch heute, nur die Pracht und Größe
der Bauwerke kann man nur mehr erahnen. Am Triumphbogen des
Septimius Severus vorbei gehen wir die Stiege zum Kapitol hinauf.
Auf dem Kapitolsplatz möchte ich noch ein
paar Fotos machen, da ich mir am vergangenen Dienstag nach dem
Besuch der Musei Capitolini nicht mehr genügend Zeit dafür
genommen habe. Wir gehen dann die breite ausladende Stiege vom
Campidoglio hinunter.
Da fällt mir plötzlich ein, dass ich
noch unbedingt die Kirche Santa Maria in Aracoeli sehen möchte.
Sie liegt links vom Palazzo Nuovo und ist
über eine steile Treppe, die neben der Treppe, die wir
gerade heruntergekommen sind, wieder hinaufführt, zu
erreichen. Gerhard streikt, er hat genug für heute. Er setzt
sich auf die unterste Stufe dieser Stiege und wartet auf uns.
Michael klettert hinauf wie eine Gämse. Ich schnaufe hinauf
wie eine alte Dampflok. Es
sind 123 Stufen und die sind wie gesagt sehr steil. Von unten und
von außen glaubt man, dass hier nicht mehr viel Platz für
eine Kirche sein kann, denn gleich dahinter erhebt sich das
Monumento Nazionale.
Aber sie ist trotzdem ziemlich groß und
auch prunkvoll. Mir fallen die vielen Kristallluster auf, sie
hängen nicht nur seitlich zwischen den Kirchenschiffen,
sondern auch in dem Querbogen zur Apsis hin, das schaut
eigenartig aus. Es gibt hier unterschiedliche Säulen, es
sind Spolien, d.h. sie sind irgendwo anders abgetragen und hier
eingebaut worden, eine in Rom anscheinend ganzzeitig und
unendlich ausdauernd angewandte Praxis, irgendwo etwas
wegzunehmen und woanders zu verwerten. Der Apsisbereich der
Kirche ist abgesperrt. Ein Mann und eine Frau tragen Kirchenbänke
aus der Sakristei in den Innenraum. Ich möchte noch ein paar
Fotos machen. Inzwischen bin ich schon gewöhnt, in den nicht
allzu hellen Kirchen irgendwelche Tricks anzuwenden, wie ich zu
einem halbwegs guten Bild komme. Ich verwende irgendetwas um mich
aufzustützen, die Schulter meines Sohnes, eine Säule,
eine Kirchenbank.
Ich stehe also dort gerade an einer Säule,
die die Grenze zur Absperrung bildet, als ich spüre, dass
von hinten jemand auf mich zukommt. Ich weiß gleich, dass
es jetzt irgendeine Schwierigkeit gibt, weil ich fotografiere,
reagiere aber zunächst einmal absichtlich nicht. Dann werde
ich angesprochen. Ich drehe mich um und schaue dem
Kirchenbankträger ins Gesicht, ein noch relativ junger,
fescher Italiener. Er sagt mir, dass er das nicht in Ordnung
findet, dass ich die Säule zum Abstützen verwendet
habe. Ich höre noch die Worte "C'é un' opera
d'arte ..." (das ist ein Kunstwerk) und einen Schwall
Italienisch.
Ich verstehe ihn großteils, aber kann es nicht mehr
wiedergeben. Er hat dabei einen Gesichtsausdruck aufgesetzt, als
hätte ich die Säule bereits umgeschmissen, aus der
Verankerung gerissen oder zumindest ein Stück
herausgebissen, also er schaut so drein wie ein strenger
Erwachsener, der mit einem Kind redet, das etwas kaputt gemacht
hat, der hinter seiner Strenge aber in sich hineinlacht. Er
genießt es sichtlich, mich zu schimpfen und auch, dass ich
wie ein begossener Pudel nichts anderes als "Si!"
herausbringe. Sehr intelligent, oder? Wozu habe ich eigentlich
Italienisch gelernt? Ich hätte wenigstens sagen können:
"Entschuldigung, das tut mir leid, das habe ich nicht
bedacht, und ich tu es auch nie, nie mehr wieder".
Michael steht in einiger Entfernung und verfolgt
diesen Vorfall leicht belustigt. Als der Mann fertig ist mit mir,
dreht er sich um und wendet sich wieder seinen Kirchenbänken
zu. Mein Sohn sagt mir, dass er ihn schon hat kommen sehen, aber
nicht wusste, ob ich ihn auch bemerke. Ich sage ihm, dass ich ihn
zwar nicht gesehen habe, aber gespürt. Wir trollen uns aus
der Kirche und klettern die 123 Stufen wieder hinab. Und jetzt
gehts zurück ins Hotel.
Wir haben beschlossen, am Abend nochmals das
gleiche Restaurant in Trastevere aufzusuchen, in dem wir schon am
Dienstag waren. Silvia kann sich auch noch an uns erinnern und
spricht von Anfang an Italienisch mit uns. Michael isst Spaghetti
Carbonara, Gerhard Calamari alla Gaeta (schwört allerdings,
dass das keine Calamari sondern Seppie sind), ich esse eine Orate
vom Grill. Der Fisch schmeckt sehr gut, aber das ist nicht so
sensationell, ich habe schon oft guten Fisch gegessen, ich koche
auch selber oft Fisch. Die wahre Sensation ist Gerhards Speise,
etwas ganz Besonderes, eine feine Sauce mit Tomaten, Oliven,
besonders raffiniert gewürzt, ein Gedicht. Es gibt nachher
noch einen Caffé für uns und ein Sorbetto für
Michael.
Ich denke mir, man könnte doch noch kurz den
Petersplatz bei Nacht besuchen. Meine beiden Männer finden
die Idee auch gut und so fahren wir mit dem 64er-Bus bis zur
Haltestelle gleich nach dem Tunnel. Das hat sich ausgezahlt. Es
ist sehr stimmungsvoll, nur ganz wenig Leute und die
Licht-Inszenierung ist total gelungen. Das war ein schöner
Abschluss für einen sehenswürdigkeiten-intensiven Tag.
Die
kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken,
um ein größeres Foto betrachten zu können.
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